Die Rolle von Fernsehsendungen bei Essstörungen

Nicht nur private Gründe können eine Essstörung auslösen, denn laut einer IZI-Studie, die die Rolle von Fernsehsendungen im Kontext von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie aus der Sicht der betroffenen Personen darstellen soll, führen Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ zu extremen Selbstwertproblemen.Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) und der Bundesfachverband Essstörungen e.V. (BFE) befragten 2015 gemeinsam 241 Menschen mit Essstörungen, inwiefern verschiedene Fernsehsendungen eine Rolle bei der Entwicklung ihrer Krankheit spielen. Die meisten Teilnehmer waren überwiegend Frauen mit Magersucht und Ess-Brech-Sucht, wobei die jüngste Teilnehmerin elf Jahre alt war und weit über die Hälfte unter 21 Jahre alt waren.

Durch Sendungen wie „The Biggest Loser“ oder „Extrem Schwer“ werden weitere Tipps zum Abnehmen für die Erkrankten geliefert. Zwar sind diese Tipps „gesund“ im Vergleich zu den Methoden der Betroffenen, jedoch sollten die Personen, die unter Anorexia nervosa leiden, ihr Gewicht nicht noch weiter reduzieren, da sonst viele gesundheitliche Schäden auftreten können. Ein 19-jähriges Mädchen, das unter Magersucht leidet, gibt an, dass Sendungen wie „Extrem Schön“, „Extrem Schwer“ oder „The Biggest Loser“ das Gefühl vermitteln, zumindest nicht ganz die/ der Hässlichste oder Dickste zu sein.  Kochsendungen, wie „Das perfekte Dinner“, dienen den Erkrankten dazu, sich zumindest „satt zu sehen“, anstatt richtiges Essen zu sich zu nehmen. Auch Soaps wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ führen dazu, dass junge Frauen das Verhalten einer an Bulimie erkrankten Person in der Sendung nachstellen möchten, wodurch sie ebenfalls eine Ess-Brech-Sucht entwickeln.

Doch nun kommen wir zu der Sendung, die alle anderen bei Weitem übertraf: „Germany’s Next Topmodel“. Fast ein Drittel der Befragten, vor allem jüngere Mädchen, geben an, dass GNTM einen sehr starken Einfluss auf ihre eigene Essstörung gehabt hätte. Ein weiteres Drittel sieht zumindest einen leichten Einfluss der Sendung auf ihre Krankheit. 85 Prozent der Befragten stimmen  der Aussage zu, dass eine Sendung wie GNTM eine Essstörung verstärken kann. Durch den in den Mittelpunkt gestellten Körper und das Aussehen, werden Ideale von Schönheit und Erfolg vermittelt, die den Mädchen zeigen, wie sie heutzutage auszusehen haben. Dadurch kommt es zu Vergleichen, bei denen völlig übersehen wird, dass es sich hier um absolute Ausnahmeerscheinungen in Körperstatur und Gesichtszügen handelt. Werden die Kandidatinnen in GNTM wegen ihrem Körper kritisiert, fühlen sich die Mädchen vor dem Fernseher in ihrer eigenen, überkritischen Haltung, zum eigenen Körper bestärkt und versuchen, ihr Gewicht weiter zu reduzieren.

Zumeist sind es die tiefen Identitätskrisen, denen sich die Betroffenen nicht gewachsen fühlen. Um das Gefühl der Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten, wird die Wahrnehmung von den inneren Werten auf den äußeren Körper und das Essverhalten verlagert. Die Betroffenen können sich aus diesem Teufelskreis nicht mehr selbst befreien und brauchen professionelle Hilfe von Spezialisten. Auch GNTM folgt einem ähnlichen Grundprinzip: der Trennung von Gefühlen, Köperwahrnehmung und Handeln. Jede neue „Challenge“ ist mit Begeisterung anzugehen, wobei Empfindungen wie Müdigkeit, Kälte, Scham, Ekel, Wut oder Angst unterdrückt werden müssen. Bei mindestens 70 Prozent der befragten Mädchen und jungen Frauen führt dieses Zusammenspiel aus für sie unerreichbaren Normen, Vergleichsprozessen und der notwendigen Unterdrückung der eigenen Gefühle in die Mager- oder Ess-Brech-Sucht.

Als Konsequenzen fordern die Betroffenen selbst eine Erweiterung des Körperbildes in den Medien, die Einführung eines Mindest-BMI für Models, Schauspieler/-innen sowie die Abschaffung von „Size Zero“. Es wird erwartet, dass man dringend eine Erweiterung der medialen Bilderwelten und mehr Achtsamkeit beim Umgang mit Frauen vor der Kamera in Angriff nimmt. Denn werden Frauen nur auf ihren Körper reduziert und in diesem hochsensiblen Bereich kritisiert, kann es nicht nur für die Akteurinnen, sondern auch für junge Frauen vor dem Fernseher fatale Folgen haben.

beine

Bildquelle: http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/Goetz_Mendel_Malewski_final.pdf

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